Seit Jahren wandelt sich das Anzeigenmanagement in der deutschen Medienbranche durch die Digitalisierung, geänderte Anforderungen und innovative Technologien stetig. “Weitere Investitionen in den digitalen und crossmedialen Prozess sind heute für Verlage unerlässlich. Man muss weg von den Silos und hin zu voll integrierten Prozessen, die das crossmediale Anzeigengeschäft unterstützen.” Mit diesen Thesen ist Bernd Bube nicht alleine. Vor allem Verlage investieren immer mehr Geld in den Ausbau digitaler Medien und die Entwicklung crossmedialer Angebote.
Wir haben mit ADvendio Gründer Bernd Bube über die Auswirkung des Wandels und der Digitalisierung auf die Werbemanagementprozesse der deutschen Printmedien gesprochen.
Erfahrungen in der Medienbranche
Seit 1995 ist Bernd Bube nun erfolgreich in der deutschen Medienbranche aktiv. Im Jahr 2004 gründete Bernd Bube das Unternehmen ADvendio als eines der ersten Salesforce Beratungsunternehmen – zunächst aktiv mit Individualprojekten bei führenden deutschen Digitialvermarktern. Mit der Öffnung der Salesforce Plattform und insbesondere mit einigen klugen Köpfen erschuf das Team 2011 dann seine eigene Salesforce-basierte Lösung für die Medienbranche, die den kompletten crossmedialen Anzeigenverkaufsprozess abdeckt.
Durch stetige Anpassung an die Bedürfnisse im Anzeigenverkauf in der deutschen Medienbranche und durch innovative Lösungen, ist aus ADvendio ein internationales Unternehmen geworden, mit Niederlassungen in Deutschland, Irland, Chile, Australien und den USA.
Deutsche Verlagshäuser generieren heute teilweise mehr als 50% ihrer Umsätze im digitalen Bereich. Wie beurteilen Sie diesen Wandel?
Wie viel Umsätze die Verlage im digitalen Bereich machen, hängt stark davon ab was die Unternehmen für Produkte anbieten. Axel Springer macht heute ca. 70% des Umsatzes im digitalen Bereich. Währenddessen liegt der Umsatz der meisten deutschen Tageszeitungen im Bereich Digital eher im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Auch hat man es versäumt, frühzeitig in neue Geschäftsfelder zu investieren – hier war die Rendite trotz sinkender Umsätze immer der heilige Gral.
Wichtig ist, dass die Unternehmen eine Strategie finden und diese verfolgen. Dies hat aber insbesondere Einflüsse auf den Vermarktungsprozess und damit auch auf die Anpassung der dafür benötigten Systeme.
In den kleineren, vornehmlich nordeuropäischen Ländern, wie in den Niederlanden, Skandinavien aber auch in der Schweiz gibt es bereits etablierte Anbieter, die Werbung in TV, Tageszeitungen, Magazinen und Digital aus einer Hand vermarkten können.
Aus der Perspektive eines integrierten Anzeigenmanagements ist Finnland vermutlich der fortschrittlichste Markt. Während man in Deutschland stolz ist, vier SAP Systeme auf eins zu reduzieren, ist das Verständnis in Richtung Cloud integrierter Systeme und Prozesse – auch unter Einbeziehung der Agenturen – dort bereits viel fortgeschrittener.
Werbe-Management-Prozesse im Wandel der Digitalisierung
Mit der Digitalisierung im Anzeigenmanagement in der deutschen Medienbranche, wie hat sich der Werbe-Management-Prozesse verändert?
Früher war die Abwicklung des Anzeigeninventars im Printbereich relativ einfach. Es gab über Jahrzehnte optimierte Prozesse, die jeder kannte und die man mit standardisierten Softwarelösungen in den Griff bekam – Geld war genug da, auch für aufwändige Projekte.
Dann kamen die digitalen Medien mit ihren komplexen Prozessen und kleinteiligen Kampagnen hinzu. Viele Medienunternehmen haben den Fehler gemacht, die aus Print bekannten Prozesse einfach zu übernehmen und neben der Infrastruktur für das Print-Anzeigengeschäft eigene Infrastrukturen für den digitalen Prozess aufzubauen.
“Wir haben es schon bei Projekten erlebt, dass ein Unternehmen mehr als 10 verschiedene Insellösungen nutzt, um einen crossmedialen Auftrag abzuwickeln, weil alte Technologien nicht ersetzt, sondern immer weiter ergänzt wurden.” – Bernd Bube
Das hat den ganzen Werbemanagementprozess sehr verkompliziert. Als irgendwann Agenturen nach crossmedialen Kampagnen gefragt haben, die auch entsprechend abgerechnet werden, wurde das ganze noch komplexer.
Was ist die Ihrer Meinung nach die beste Lösung für Unternehmen, die immer noch so arbeiten?
Ein Problem ist, dass es alter Software an allem mangelt, was eine moderne SaaS-Plattform mitbringt, es fehlen u.a. leistungsfähige Schnittstellen, ein durchgängiges Reporting oder die Möglichkeit der mobilen Nutzung. Deshalb würde ich Verlagen dazu raten, ein neues auf Crossmedia ausgerichtetes System zu integrieren und die alten Technologien zu ersetzen.
Woran erkennt man denn ein innovatives und zukunftsweisendes System?
Die Unternehmen sollten sich am Anfang des Kaufprozesses überlegen, ob sie ein Produkt oder ein Projekt wollen. Ob es sich um das eine oder andere handelt, kann meist mit der Frage nach einer in real time verfügbaren Testumgebung geklärt werden. Kommt die Antwort, dass die Einrichtung eines Trials ein paar Tage dauert, weil erst mal die Software installiert und bereitgestellt werden muss, handelt es sich sehr wahrscheinlich um ein längerfristiges Projekt und nicht um ein vorgefertigtes Produkt.
Auch eine moderne Plattform wie Salesforce stellt für das Anzeigenmanagement zunächst erstmal nur eine leere Plattform dar. Der Kunde muss sich folglich zwischen einem mehrjährigen Projekt mit teilweise bis zu siebenstelligen Einmalaufwänden entscheiden oder er entscheidet sich für eine umfassende Lösung.
Verlage sind historisch mit einem Produkt als Standardlösung gut gefahren. Obwohl sie sich auch dafür teilweise erst mal von Innen heraus transformieren müssen, um von Print und On Premise zu Digital und Cloud zu kommen, lässt sich das Einbinden einer Standardapplikation hiermit schneller vereinbaren als lange IT-Projekte.
Der Ad Operations Bereich umfasst heute viele Aktivitäten, wie sollte der heutige Anzeigenmanagementprozess idealerweise aussehen?
Im besten Fall ist alles ein sehr verzahnter Prozess. Heute wollen die Agenturen immer stärker wissen, was sie denn für ihre gebuchten Kampagnen bekommen. Dafür ist es sinnvoll, den Prozess in einem durchgängigen System abzubilden. Aus einem Angebot wird ein Auftrag und später eine Rechnung. Idealerweise benötigt man für den gesamten kaufmännischen Prozess nur ein System sowie Ad Server und Ad Exchanges. Wenn man das systemisch umsetzen kann, ist es möglich, im Verkauf Produkte anzubieten, die bisher so nicht möglich waren.
Wie setzt das die deutsche Medienbranche um?
Wir sehen bei einigen Unternehmen, vor allem im Printbereich, aber auch bei Unternehmen des digitalen Bereich hier einige Herausforderungen. Aufgrund der Limitierung von technischen Lösungen arbeitet der Ad Operations Bereich teilweise völlig autonom. Zudem nutzt Sales häufig eine eigene Software wodurch der Ad Operations Bereich in einem OMS ohne vorgelagertem Verkaufsprozess arbeitet. Dadurch ist der gesamte Prozess fragmentiert und umständlich.
Sie arbeiten seit mehr als 20 Jahren in der deutschen Medienbranche, wie unterscheidet sich diese von der in anderen Ländern?
Der Werbemarkt funktioniert weltweit zu 99% gleich, mit wenigen länderspezifischen Sonderfällen. Im deutschsprachigen Markt gibt es traditionell sehr hohe Ansprüche an die Software, während beispielsweise ein Verlag in den USA zwei unterschiedliche Rabatte für eine Kampagne anbietet, gibt es in deutschen Medienunternehmen mehr als eine handvoll.
Zudem ist deutsche Software für ihre hohe Qualität und stark spezialisierten Lösungen bekannt. Dadurch ist es für deutsche Unternehmen deutlich einfacher andere, auch nicht englischsprachige Märkte zu erschließen, als umgekehrt. Jedoch hinkt die deutsche Medienbranche in der Vermarktung und Verbreitung der amerikanischen und z.T. auch der englischen immer einen Tick hinterher. Denn die deutsche Mentalität ist zwar eine sehr genaue, dies kostet aber auch viel Zeit.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Interview
Trotz vieler wichtiger und richtiger Veränderungen in der deutschen Medienbranche haben längst nicht alle Unternehmen den Absprung zu Digital und Crossmedia geschafft. Veraltete Software, Insellösungen und fragmentierte Prozesse verhindern Innovationen und so die Konkurrenzfähigkeit.
Um diese Probleme zu lösen, sollten die Medienunternehmen verstärkt in moderne und innovative Software-Lösungen investieren, um Print- und digitale Prozesse zu verschmelzen und zu optimieren und den Dispo-Bereich einzugliedern. Zum Beispiel kann man viel von den Unternehmen in den kleineren nördlichen Ländern lernen, da der Innovationsdruck dort deutlich höher ist und folglich die Entwicklung weiter fortgeschritten. Nur wer in Zukunft Print und Digital intelligent verbindet, wird eine Antwort auf die Probleme und Anforderungen des Werbemarktes haben.